Ich will deinen Esel!

[Achtung: Dieser Artikel könnte Spuren von Ironie enthalten!]

Die Welt geht den Bach runter.
Es ist ganz klar: die Zeiten sind so schlimm wie noch nie; die Jugend verblödet, die Menschlichkeit geht flöten und ganz besonders wir Deutschen werden von unserer Regierung unfassbar ungerecht behandelt.


Das muss man zumindest denken, wenn man sich durchliest, was Menschen so in den sozialen Netzwerken posten.
Auch wenn ich immer noch überzeugt bin, dass es uns in Deutschland zur Zeit unverschämt gut geht, kann ich schon ein Stück weit nachvollziehen, warum das so ist: Jeder, der ein internetfähiges Gerät hat kann ungefiltert auf eine überwältigende Flut von Informationen zugreifen. Es ist schwer, diese Informationen richtig einzuordnen. Noch vor zwanzig Jahren haben wir abends im Fernsehen die Nachrichten geschaut, einige erschreckende Meldungen von Mordfällen, Kriegen oder Umweltkatastropen gesehen und hatten dann bis zum nächsten Morgen Zeit, diese zu verdauen. Wer mehr Info wollte musste sich eine Zeitung kaufen oder Radio hören, aber auch da wurde wenigstens nur über Themen berichtet, die halbwegs relevant für den Durchschnittsdeutschen waren.
Heute greifen wir rund um die Uhr schon auf unserem Smartphone auf all die Schreckensnachrichten der ganzen Welt zu. Wir googlen "Schnupfen" und erfahren, dass wir möglichereise an einem tödlichen Virus leiden, das schon zwei Mal bei Reisenden aus Hintersüdwestindien aufgetaucht ist.
Und nicht nur das.
Während wir gerade entspannt die zweite Tasse Kaffee zuhause an unserem Küchentisch genießen erfahren wir, wie schlecht es uns geht. Das Nutellabrötchen bleibt uns glatt im Halse stecken: Wir werden im Rentenalter pleite sein! Niemand wird uns unterstützen, und unser Altersheimplatz wird einem Gefüchteten zugewiesen werden.
Aber es geht ja schon viel früher los. Gleich nachher, wenn ich in den Bus steige, wird ein Mitbürger mit Migrationshintergrund neben mir sitzen, der eine kostenlose Fahrkarte vom Staat erhalten hat, während ich mein sauer erarbeitetes Geld dafür ausgeben musste.
Himmelschreiende Ungerechtigkeit!!
Natürlich würden wir mit etwas Nachforschungsarbeit herausfinden, welche finaziellen Hilfen uns im Bedarfsfall zustehen und erkennen, dass der ein oder andere Deutsche auch Geld vom Staat und kostenlose Beförderungsmöglichkeiten erhält. Außerdem wüssten wir, dass der kostenlose Wohnraum, den wir dem Zugreisten missgönnen, unseren persönlichen Standards nicht annähernd entspricht. Aber das passt nicht in unser Weltbild.

Mich macht diese Entwicklung traurig. Sie schockiert mich.
Aber vielleicht haben wir Menschen schon immer so gedacht. Nur kann man erst seit ein paar Jahren die eigenen Gedanken öffentlich posten. Ich erhalte jetzt tiefe Einblicke in Seele und Privatleben von Bekannten - oder gar Fremden - ohne mich mit ihnen unterhalten zu müssen. Einfach, indem ich mich durch ein soziales Netzwerk scrolle.
Und während ich das tue fällt mir einmal mehr auf, wie weise die zehn Gebote sind, die Gott uns Menschen gegeben hat.
Wie ich jetzt plötzlich auf die Bibel komme?
Naja, Gottes Wort gehört einfach zu meinem Leben. Es ist echt hilfreich und manchmal unfassbar aktuell.
Aber zurück zu den zehn Geboten. Einige davon sind ja ziemlich bekannt, so dass sogar überzeugte Atheisten schon davon gehört haben.
"Du sollst nicht töten." Gut, sollte ich nicht, würde mich auch in Probleme mit dem deutschen Grundgesetz bringen.
"Du sollst nicht stehlen." Auch das ist nicht biblisch beschränkt; der Kaufhaus-Securitymensch hat davon ebenfalls schon gehört.
"Du sollst nicht lügen." Ja, so in etwa steht es in der Bibel. "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten." ... Das ist ja schon das erste völlig überholte Gebot, denn, mal ehrlich... (Oh, Verzeihung, ehrlich wollen wir ja gerade nicht sein.)
Gut, überlegen wir weiter.
Da war doch noch was mit der Ehe.
"Du sollst nicht ehebrechen." Ach, Ehe wird überbewertet. Lebensabschnittsgefährte reicht, man weiß ja nie, ob man nicht vielleicht noch jemanden kennenlernt, der einfach besser passt. Also nicht mehr aktuell, dieses Gebot.
Von den anderen müssen wir gar nicht reden. Gott ehren, keinen anderen Gott haben, keine Bilder machen, um sie zu verehren, Gottes Namen nicht missbrauchen, Vater und Mutter ehren - lächerlich.
Das waren aber immer noch nicht zehn Gebote... irgendwas fehlt.
Ich helfe mal ein bisschen nach: "Du sollst den Feiertag (Sabbat) heiligen."
Das Wochenende ist uns heilig, ist doch klar! Dass Gott die Freizeit in seinem "Grundgesetz" verankert hat ist eigentlich ziemlich cool, oder?
Aber da fehlt immer noch etwas.
Etwas mit einem Esel. Oder zumindest einem Vieh.
"Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat." (2. Mose 20, 17, Lutherbibel)
Ich habe mich früher immer gefragt, warum das in den zehn Geboten steht. Es ist doch egal, ob ich irgendwas "begehre" was mein Nachbar hat, solange ich es ihm nicht wegnehme, oder?
Jetzt empfinde ich dieses Gebot gerade als immens wichtig.
In einer Zeit, in der gefühlt alle meine Bekannten Fotos von ihren Wohnungen, Autos, Diäterfolgen, Pools, Urlaubsreisen, Restaurantbesuchen, Haustieren, Kindern, venösen Zugängen und romatischen Dates posten gewinnt es an Brisanz.
Wenn ich wollte, könnte ich den ganzen Tag vor Neid in mein Kopfkissen beißen.
Es gibt IMMER jemanden, dem es eindeutig besser geht als mir. Und wenn es Angela Merkel ist.
Wenn ich wollte, könnte ich mich darüber so aufregen, dass ich versucht bin eine Revolution zu starten.
Denn irgendjemand ist Schuld daran, dass ich gerade nicht am Pool liege und Schwarzwälder Kirschtorte esse, während meine Kinder in der Fünf-Sterne-Kinderbetreuung des exclusiven Familienhotels bespaßt werden. (Die fünf hochbegabten unter ihnen spielen während dieser Zeit natürlich Schach im Mandarin-Workshop).
Wenn ich will, kann ich aber auch zufrieden sein.
Zumindest mit dem, was wirklich Grund zur Zufriedenheit gibt, und das ist für die meisten von uns eine ganze Menge.
Dieses Gebot, nicht zu begehren, was meinem Nächsten gehört - oder schlicht gesagt: nicht neidisch zu sein - könnte, würden wir es alle beachten, die ganze Welt verändern.
Wir wären zufriedener mit dem, was wir haben. Es würde uns leichter fallen, dem Anderen sein Glück zu gönnen.
Ich will mit diesem Gedanken nicht zu weit gehen, denn wenn man ihn konsequent verfolgt führt er zum Weltfrieden.
Aber ich möchte realistisch bleiben.
Natürlich gibt es in unserem Land und im Rest der Welt Missstände, die behoben werden müssen.
In unserem Land läuft nicht alles rund, und es ist gut, wenn wir uns dazu äußern. Dafür gibt es in einer Demokratie sogar eine ganze Menge wirksamer Möglichkeiten, die Otto Normalverbraucher nutzen kann.
Aber eigentlich fangen Frieden und Zufriedenheit, Glück und Menschlichkeit genau mit diesem vernachlässigten Gebot aus deiner staubigen Bibel an.
Gönn dem Anderen sein Stück vom Glück.
Beiß in dein Nutellabrötchen und freu dich, dass du den Kakao dafür nicht selber in harter Arbeit zu wenig Lohn ernten musstest.
Trink deinen Kaffee aus und frage dich, ob der dunkelhäutige Nachbar vielleicht seine Heimat verlassen hat, weil er seine Familie auf der Kaffeeplantage nicht ernähren konnte.
Schau dich in deiner Küche um und sei dankbar, dass dein Partner nicht mit dem MG vor der Tür Wache halten muss, weil verfeindete Banden euch jederzeit vertreiben könnten, wie die Frau aus dem Südsudan, die im Haus gegenüber wohnt, es erlebt hat.
Unsere Welt ist ein schrecklicher und ein wunderschöner Ort.
Neid und Missgunst werden sie nicht zum Besseren verändern.
Deshalb appelliere ich an dich und mich: Gönn deinem Nachbarn den Esel, statt selbst einer zu sein.



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