Gemeinsam stark

Wie schnell sich doch Pläne ändern können. Und wie schnell man plötzlich nicht mehr alles im Griff hat.
Letzte Woche war für Kind Nummer fünf und mich ein Ärztemarathon. Alles drehte sich um einen harmlosen Knubbel am Ohr. Ich entdeckte ihn zufällig beim Umziehen in der Kita, und Kind Nummer fünf meinte: Das ist doch bei Opa passiert, als ich mich gestoßen habe. An ein solches Ereignis konnte ich mich nicht erinnern, aber wenn er es sagt, dann wird es wohl stimmen. Ich beobachtete die Sache ein paar Tage. Dann schleppte ich ihn zum Arzt, zur Sicherheit.
Die beiden Ärzte der Kinderarztpraxis waren ratlos, einer davon hatte dann die Idee, es könnte ein Borreliose-Lymphozytom sein. Es folgten eine Blutabnahme und einige Tage später die Verschreibung eines Antibiotikums - zur Sicherheit. Im Blut war nichts Auffälliges zu finden gewesen, aber das sei bei Borreliose normal.

Ich vertraue Ärzten eigentlich, aber diesmal war ich unruhig. Mein Krankenschwesterherz ließ mich recherchieren, und mein Mutterherz sagte mir, dass ich des Kindes spontaner Aussage (der Knubbel komme von einem Stoß) vertrauen könnte. Für mich stand irgendwie fest, dass diese Schwellung ein Othämatom (oder Serom) sein könnte - welches unbehandelt zu Entzündungen, Knorpelverformung oder gar Knorpelnekrose führen kann. Deshalb fragte ich über WhatsApp noch ein bisschen Schwarmwissen ab. Zum Glück haben einige meiner Freunde Ärzte im Bekanntenkreis, die meine Vermutung zum Teil bestätigten. Sonst hätte ich mich vielleicht nicht getraut, noch eine zweite (oder besser: dritte) Meinung einzuholen.
Am Freitagmorgen sagte ich zu Kind Nummer fünf (welches von all der Ohrguckerei schon genervt war): "Nur noch ein Arztbesuch, danach lasse ich dein Ohr in Ruhe!" Wiederstrebend ließ es sich darauf ein.
Die HNO-Ärztin fragte schon im Wartezimmer: "Hast du dich gestoßen?" Weil seit der Verletzung nun schon so viel Zeit ins Land gegangen war, konnte sie nichts mehr machen.
"Ich gebe Ihnen eine Überweisung ins Krankenhaus."
Puh... Kind Nummer fünf war wenig begeistert.
"Krankenhaus...?", fragte es schockiert. "Das ist nicht so schlimm. Du musst doch nicht dort schlafen", antwortete ich. Ich ging davon aus, dass ein eventueller Eingriff ambulant gemacht werden würde.
Wir gingen zurück nach Hause, und ich versuchte herauszufinden, wie wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Krankenhaus kämen. Papa war zu dieser Zeit auf Arbeit, unabkömmlich in einer Sitzung. Auf dem Hof trafen wir meinen Chef. "Soll ich euch schnell fahren?", fragte er. Dankbar nahm ich das Angebot an.
Im Krankenhaus angekommen ging alles recht schnell.
Ein Othämatom. Weil es schon so "alt" ist, muss es richtig operiert werden, in Vollnarkose, mit Knorpelfenster und aufgenähtem Druckverband. Wann hat das Kind zuletzt gegessen? OP-Termin heute, 16 Uhr. Sie werden gleich auf Station aufgenommen.
Während der Krankenhausfotograf das Ohr dokumentiert tippe ich wild Nachrichten auf meinem Handy.
Eine Freundin übernimmt den Zahnarzttermin mit Kind Nummer vier, der um die Mittagszeit ansteht. Mein Mann packt eine Tasche für´s Krankenhaus. Weil er am Nachmittag einen Einsatz hat bringt eine andere Freundin diese Tasche zu mir.
Die Freundin, die Kind Nummer vier übernommen hat, sagt auch meine Arbeitstermine für den Nachmittag ab und nimmt Kind Nummer sechs nach der Kita unter ihre Fittiche.
Kind Nummer fünf findet es nicht spaßig, dass es nun doch im Krankenhaus schlafen soll - noch dazu ohne etwas essen zu dürfen ;). Aber immerhin bleibt Mama die ganze Zeit da.
Am späten Abend, als der kleine Patient endlich auf dem OP-Tisch liegt und ich darauf warte, zu ihm in den Aufwachraum gerufen zu werden, sickert ein Gefühl von riesengroßer Dankbarkeit durch die Aufregung und Unsicherheit hindurch.
Wie schön es ist, so viel spontane Unterstützung zu bekommen. Und das alles von Menschen aus meiner Gemeinde. Wir wohnen weit weg von unserer Verwandtschaft, und haben trotzdem ein stabiles Netz aus Freunden und Bekannten, die uns in Fällen wie diesen vorbehaltlos zur Seite stehen.
Am nächsten Morgen kann Papa uns aus dem Krankenhaus abholen. Und zur Wundkontrolle am Sonntagmorgen - unserer regulären Arbeitszeit als Pastoren :) - werden wir wieder, ohne dass wir darum hätten bitten müssen - von einer anderen Frau aus der Gemeinde gefahren.
Ich bin begeistert davon, wie Gemeinde zur Familie werden kann.
Dass so viele Menschen uns unterstützt haben, als wir Hilfe brauchten.
Ich glaube, dass Gott sich Gemeinde genau so wünscht - und hoffe, dass auch ich meinen Teil dazu beitragen kann, dass Menschen in dieser christlichen Gemeinschaft ein echtes Zuhause finden.





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