Hoffnung auf Heilung

Wir sind krank.

Seit einem Jahr leiden wir alle unter dem Corona-Virus, und es zeigen sich viele Symptome der chronischen Erkrankung: Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Aggressionen, Geschmacklosigkeit. 

Besonders Menschen, die (noch) nicht selbst unter Fieber, Schmerzen und Erstickungsgefühlen gelitten haben sind davon betroffen.


Letztlich ist es nicht überraschend. Schon seit einigen Jahren habe ich mich mit dem Gedanken beschäftigt, wie es wohl aussehen wird, wenn die langsam immer stärker werdenden Symptome unserer angeschlagenen Gesellschaft so stark werden, dass es zum Zusammenbruch kommt. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass eine Pandemie das Zünglein an der Waage sein könnte.


Wir sind schon lange krank.


In diesem Artikel betrachte ich die Symptome unserer Gesellschaft, die mir persönlich am meisten Sorge bereiten. Natürlich ist es nur ein Bruchteil eines viel größeren Zusammenhangs.  Die Corona-Pandemie hat ausgerechnet diese vier Punkte ganz besonders verstärkt und in gewissem Maße unerträglich werden lassen.


1. Individualismus


Eigentlich ist es wunderbar, dass die Einzigartigkeit jedes Menschen in unserer Gesellschaft gewürdigt wird. Ich bin dankbar dafür, dass sich Schubladen öffnen und wir selbst entscheiden können, wie wir unser Leben gestalten möchten. Andererseits hat die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, leider auch Schattenseiten. Die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, führt zu einem gewissen Druck, sich selbst verwirklichen zu müssen. Das wiederum macht es notwendig, dass jeder gründlich für sich selbst sorgen muss. Neben der notwendigen Selbstfürsorge fehlt dann die Kraft, für andere zu sorgen. Ein Teufelskreis, der einsame Menschen produziert. Die Pandemie lässt uns diesen Fakt bitter schmecken. Kontaktbeschränkungen lassen die niederschwelligen Gelegenheiten verschwinden, zu denen selbständige Individuen andere selbständige Individuen treffen, um aus der unverbindlichen Gemeinschaft Kraft zu holen. Die Unabhängigkeit verliert einen Teil ihres Glanzes und lässt unter dem abgeblätterten Lack nackte Einsamkeit erkennen. Weil es uns Erwachsenen schwer fällt, uns diese Dynamik einzugestehen, richten wir unseren Blick auf die Kinder: was richten monatelang geschlossene Schulen und Kitas in ihren Seelen an? Zerstört es unsere Kinder, dass sie nicht zur Schule gehen dürfen? Dann ist es schmerzlich, dass unsere Familien zu individuell sind, um unseren Kindern Heimat zu sein.


2. Streben nach Leistung


Geben wir es zu: Deutschland ist ein Land, in dem es um Leistung geht. Natürlich finden wir blumige Worte dafür, dass jeder Mensch um seiner selbst willen wertvoll ist. Aber glauben wir selbst daran? Bringen wir nicht schon unseren Kindern bei, dass der Junge, der bereits mit vier Jahren Geige spielt und das Mädchen, das mit fünf bereits flüssig lesen und schreiben kann, einfach besser ist als das Vorschulkind, das im Sand nach imaginären Schätzen gräbt? Die größte Sorgen vieler Eltern scheint derzeit zu sein, dass die Schulen aufgrund der Pandemie den vorgeschriebenen Lehrstoff nicht rechtzeitig in die Kinder einfüllen können. Ist es wirklich dramatisch, falls die heutigen Sechstklässler nicht einwandfrei über Karl den Großen referieren können? Auch wir Erwachsenen sind restlos davon überfordert, nicht im gewohnten Umfang arbeiten und Leistung erbringen zu können. So vieles fühlt sich derzeit einfach ineffektiv an. Warum tut das so weh? Wieso drückt es uns so schrecklich nieder und zerrt an unseren Nerven, dass wir nicht im gewohnten Rahmen Sinnvolles bewirken können? Stillstand ist in unserer Gesellschaft unerträglich. Gleichzeitig sprengt uns die Sehnsucht nach Ruhe beinahe von innen heraus. Weil Nichtstun seit Langem inakzeptabel ist gibt es keine Chance, Ruhe zu genießen.

Unser Selbstwert ist so eng an Leistung gekoppelt, dass es uns in den Wahnsinn treibt, durch die Stricke der Pandemie in unserem Streben gebunden zu werden.



3. Kein Glück ohne Vergnügen


Nichts ist so schwer zu finden wie das Glück in unserer Gesellschaft. Glück: zufrieden zu sein mit sich und der Welt. Das Gefühl zu haben, dass alles stimmig ist und es eigentlich nicht besser sein könnte. Wir arbeiten hart, um das zu erreichen - normalerweise. Weil es aber so schwer zu finden ist, das Glück wie wir es uns ersehnen, ersetzen wir es gern mit Vergnügungen. Ablenkung durch Dinge, die uns kurzzeitig gut tun: das ist unsere Rettung. Corona hat uns vieler dieser Möglichkeiten beraubt, und da stehen wir nun. Versteht mich nicht falsch: es ist vollkommen wunderbar, Kunst und Kultur zu genießen. Wir brauchen Künstler, die die Welt auf den Kopf stellen, Schönes schöner und Trauriges erträglicher machen. Aber auch die schönste Kunst und das leckerste Essen mit den besten Freunden sind nur eine Facette des Glücks, das wir gewohnheitsmäßig an Stellen suchen, die nur vorgeben, wahres Glück zu sein. 


4. Die Unbekannten


Das letzte Symptom der Krankheit, die unsere Gesellschaft lange ausgebrütet hat, sind die einsamen Alten. Die Pandemie ist tückisch: statt junge, lebensfrohe Opfer zu fordern sucht sie sich lieber die Schwachen und Alten. Wäre es anders, dann hätten wir längst strengere Maßnahmen ergriffen. Aber so ist es leichter, die Gefahr zu leugnen. Wir kennen die Opfer ja nicht persönlich. So viele alte Menschen leben allein. In Heimen oder Wohnungen, besucht nur vom Pflegedienst oder am Wochenende. Auch in meiner Familie leben die Generationen getrennt. Natürlich, man hat sich lieb. Aber man ist sich doch nicht so nah. Jeder lebt sein Leben, berührt den anderen nur punktuell. Zu Feiertagen, am Wochenende. Ein Anruf, ein kurzer Besuch. Das sind die Menschen, die Kinder und Enkel haben. Wie viele haben das nicht? Die Pandemie macht sie noch anonymer als sie es ohnehin waren. Zahlen im Internet, rote Flächen in Kreisdiagrammen der Tagesschau, diese Toten. Warum sollten wir auf diese Unsichtbaren Rücksicht nehmen und für sie unsere Individualität, unser Streben nach Leistung und unser Vergnügen opfern?


Wir sind krank, und es quält uns. Keiner ist wirklich Schuld an diesem Virus, das unsere Gesellschaft stöhnen lässt. Ebenso wenig, wie jemand Schuld an Covid19 hat.


Die gute Nachricht ist: es gibt Aussicht auf Heilung.


Meiner Meinung nach haben die vier Symptome ihre Ursache in einem Mangel an Liebe. Sie fehlt jedem von uns. Es ist anstrengend und beinahe hoffnungslos, Liebe austeilen zu wollen, wenn wir sie uns gleichzeitig hart erarbeiten müssen. 


Dabei können wir sie vorbehaltlos bekommen - nicht von Menschen, sondern von Gott. In der Bibel wird es unter Anderem so ausgedrückt: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat." (Johannes 3,16)


Jesus hat Gottes Liebe zu uns Menschen bewiesen, indem er sogar bereit war, für unsere Schuld zu sterben. 


Ostern 2021 steht, wie schon Ostern 2020, im Schatten der Pandemie. Ich wünsche mir nicht nur, dass die Krankheit Covid19 vorbei geht und wir uns wieder bedenkenlos treffen und umarmen können. Ich wünsche mir, dass die Pandemie uns dazu bewegt, nach einer Heilung für die Krankheiten unserer Gesellschaft zu suchen, die durch Corona so schmerzhaft forciert wurden.


Dazu richte ich meinen Blick auf Gottes Liebe.


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