Verliebt in meinen Traumprinzen

Letzten Dienstag habe ich den Frauenkreis unserer Gemeinde besucht- eine Gruppe älterer Damen, die sich jede Woche zu Kaffee und Austausch treffen. Manchmal bin ich dabei und genieße die Gesellschaft dieser lebenserfahrenen Frauen.
"Sag mal, Anni, war dein Mann vor dir eigentlich schon einmal mit einer Anderen verheiratet?", fragte mich, ganz unverhofft, eine von ihnen. "Ähm... nicht, dass ich wüsste?!", gab ich überrascht zurück. "Das ist ziemlich unwahrscheinlich, da er bei unserer Hochzeit erst dreiundzwanzig war. Wie kommst du auf diesen Gedanken?"
"Naja, er hat doch auf Facebook diesen Artikel gepostet, in dem er erzählt, warum er so früh geheiratet hat. Aber die Frau, von der er schreibt, heißt anders als du."
Ich musste über den Gedanken lachen, versuchte aber natürlich gleich herauszufinden, was zu der Verwirrung geführt hatte.
Matthias hatte tatsächlich einen Blogartikel (Link siehe oben) geteilt, in dem es um das Thema "Frühe Heirat" geht. Diesen hat er aber nicht selbst geschrieben. 
Es gibt allerdings große Ähnlichkeiten zu unserer eigenen Geschichte. Der Name der erwähnten Frau ist lustiger Weise ein Anagramm meines Namens (sie heißt Nina - ich Anni). Das Paar war nur jeweils ein Jahr älter als wir bei unserer Hochzeit. Ich war damals zweiundzwanzig, Matthias ein Jahr älter. Und auch wir kannten uns am Tag unserer Hochzeit erst seit etwas weniger als zwei Jahren. Der große Unterschied zwischen dem Paar im Artikel und uns ist, dass unsere Hochzeit bereits fast achtzehn Jahre zurück liegt.
Ich kann kaum glauben, wie alt wir schon sind. Es fühlt sich an, als wäre das alles erst vor kurzer Zeit gewesen.
Aber wir beide können nach diesen Jahren sagen: die Theorie, die wir zu unserer Hochzeit hatten, hat sich bewahrheitet.
Matthias und ich sind anders in unsere Beziehung gestartet als es in unserem Umfeld üblich war.
Zuerst einmal war es bei uns beiden nicht "Liebe auf den ersten Blick". Bei mir immerhin "Liebe auf den dritten Blick", bei Matthias brauchte es noch ein paar Blicke mehr. Obwohl, vielleicht spielten die Blicke gar nicht die größte Rolle. Es war eher das, was Matthias sagte und tat, das bei mir die großen Gefühle auslöste. 
Damals (ich war zwanzig, als ich ihn zum ersten Mal bewusst wahrnahm) hatte ich schon eine lange Karriere unerwiderter Verliebtheiten hinter mir. Matthias war aber einer der wenigen, den ich nicht nur von Weitem "vergötterte", sondern mit dem ich mich tatsächlich unterhalten und Sachen mit ihm unternehmen konnte.
Ich lernte ihn anfangs auf Freundschaftsbasis kennen. Aber schon nach kurzer Zeit hatte ich in meinem Herzen das Gefühl: dieser Mann wird mein Ehemann sein.
Es dauerte ein paar Monate, viele Gebete, Briefe (ja, das war damals noch so) und Treffen im Rahmen von Germeindeveranstaltungen und Seminaren, bis wir zum ersten Mal darüber sprachen (oder besser: schrieben!), dass es zwischen uns mehr Gefühle gab als zwischen normalen Freunden.
Und dann?
Der Abend, an dem wir uns gegenseitig gestanden, dass wir uns wünschten, ein Paar zu sein, war auch der Abend einer wichtigen Entscheidung. "Wenn, dann richtig", beschlossen wir. Wenn wir jetzt zusammenkommen, dann mit dem Ziel, zu heiraten.
Aus heutiger Sicht klingt das ziemlich verrückt. Aber es war für uns ganz klar. Wir werden unsere Beziehung zunächst auf Freundschaft bauen. Dabei werden wir sehen, wie sich unsere Gefühle entwickeln. Und wenn wir glauben, dass unsere Charaktere, unser Glaube und unsere Wertvorstellungen zusammen passen, dann werden wir heiraten.
Wir werden uns aufeinander festlegen - wohl wissend, dass die Schmetterlinge im Bauch auf Dauer nicht unverändert bleiben werden.
Ehe bedeutete für uns von Anfang an eine Freundschaft, die letztendlich alle Bereiche unseres Lebens umfassen wird. Wir wollen uns verbindlich aufeinander einlassen, eine Familie gründen und alles dafür tun, um unsere Beziehung ein Leben lang gesund und tiefgehend zu erhalten - mit Gottes Hilfe.
Praktisch hieß das für uns, dass die wachsende sexuelle Anziehung in den Monaten bis zu unserer Hochzeit immer fester an die Zügel genommen werden musste. Wir wollten uns den Sex bis zur Hochzeit aufheben, um diesem Bund einen klaren Beginn zu setzen. Außerdem wollten wir verhindern, nur aus sexuellen Glücksgefühlen heraus einen Bund für´s Leben zu schließen. Uns gegenseitig auf freundschaftlicher Basis gründlich kennen zu lernen fanden wir wichtiger.
Dieses Vorhaben brachte unsere Familien und Freunde dazu, die Köpfe über uns zu schütteln. Die meisten von ihnen fanden, wir würden es übertreiben.
Ja, vielleicht waren wir ein bisschen schräg und radikal. So sind wir eben, und zu uns passt es.
Wir gingen das Ziel "Ehe" ziemlich gründlich an. Zum Beispiel schrieben wir uns gegenseitig "Bewerbungen" inklusive Lebenslauf und Beurteilung durch die Eltern. Verrückt? Ein bisschen, aber es war lustig und sehr informativ. Matthias zitiert heute noch gern einen Satz aus der Beurteilung, die mein Vater über mich geschrieben hat.
Wir verbrachten viel Zeit mit unseren "Peergroups" und unseren Familienangehörigen. Das war nicht ganz einfach, da meine Eltern damals gerade die Scheidung eingereicht hatten und in Trennung lebten.
Außerdem machten wir einen intensiven Ehevorbereitungskurs beim Pastor unseres Vertrauens. Wir lasen Bücher zur Ehevorbereitung und arbeiteten uns gemeinsam durch Fragebögen über Themen wie Umgang mit Finanzen, das gewohnte Verhalten in Streitsituationen, über unsere Vorstellungen von der Rollenverteilung in einer Familie und unsere Träume von der Zukunft.
Es waren sechszehn intensive, spannende und herausfordernde Monate, in denen wir uns kennen lernten und schauten, ob der Plan, zu heiraten, ein guter war.
Er war es.
Als wir uns am 7. September 2002 vor dem Traualtar das Ja-Wort gaben und zum ersten mal küssten (ich hatte schon erwähnt, dass wir ein bisschen verrückt sind?) begann das Abenteuer Ehe so richtig.
Es war uns todernst, uns gegenseitig Treue bis zum Ende unseres gemeinsamen Lebens zu versprechen.
Es war uns wichtig, das vor Gott selbst zu tun. Denn auch damals war uns schon klar, dass wir Seine Hilfe dabei mehr als gut gebrauchen konnten.
Ich bin überzeugt, dass wir beide nicht besser zusammen passen als das Durchschnittspaar, das sich nach ein paar gemeinsamen Jahren trennt. Ich glaube, dass wir nicht deshalb seit achtzehn Jahren verheiratet sind, weil wir einfach das Glück hatten, einander gefunden zu haben.
Ich bin sicher, dass es daran liegt, wie wir zu diesem Versprechen stehen, das wir uns gegeben haben.
Ich weiß, dass Matthias mir sein Leben mit ganzem Herzen geöffnet hat. Er macht Abstriche, um unser gemeinsames Leben so zu gestalten, dass wir beide (und dazu noch unsere sechs Kinder) darin den Raum haben, der jedem von uns gut tut. Ich mache es genauso.
Es ist kein Zufall, dass wir noch immer "Gefühle füreinander" haben. Mich hat "Eros" (klickt das Wort gern mal an, es verbirgt sich eine Predigt von mir in dem Link dahinter) innerhalb dieser Zeit der Ehe mehrmals kalt erwischt.
Aber ich habe - genau wie Matthias - die Entscheidung getroffen, dass wir dieses Leben ungeteilt miteinander verbringen wollen. Auch wenn das Gras auf der anderen Seite des Zaunes zuweilen grüner erscheint. Vielleicht verzichten wir auf die ein oder andere lustvolle Erfahrung und lassen manche Chance der Selbstverwirklichung an uns vorüber gehen, weil sie zu diesem Zeitpunkt nicht jedem von uns gut tun würde.
Dafür erleben wir eine tiefe Liebe, die uns so ausfüllt und dankbar macht, dass es sich schwer in Worte fassen lässt.
Und auch nach achtzehn Jahren Ehe passieren Dinge, die uns überraschen und neu füreinander "entfachen".
Es ist nicht leicht. Es passiert nicht von allein. Es ist ganz, ganz viel Gnade und Segen von Gott.
Aber es ist die Liebe, die ich mir immer erträumt habe.

Quelle: privat

 

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